Um seiner Empörung über die Äußerungen von Westerwelle über Hartz IV-Empfängern etc. Ausdruck zu verleihen, hat der Vorstand der AG 60plus Breisgau-Hochschwarzwald einen offenen Brief an den Vizekanzler und Bundesaußenminister an die BZ geschickt, damit dieser als Leserbrief veröffentlicht wird.
Sehr geehrter Herr Vizekanzler Westerwelle,
über Ihre Äußerungen bezüglich Hartz IV und „Arbeit muss sich wieder lohnen“ etc.
sind wir außerordentlich empört. Sie hatten eigentlich genügend Zeit seit der Bundestagswahl, sich daran zu gewöhnen, dass Sie als Vizekanzler und Bundesaußenminister für alle Bürgerinnen und Bürger sprechen und nicht als Parteivorsitzender oder Oppositionspolitiker. Würden Sie genauso aufgetreten sein Auge in Auge gegenüber zum Beispiel den entlassenen Beschäftigten der „Quelle“ wie in den letzten Tagen vor der Presse? Haben wir von Ihnen irgendetwas gehört zu den Verursachern der Finanz- und Wirtschaftskrise, die doch unter einem Teil Ihrer Klientel zu suchen ist? Haben die Hartz-IV-Empfänger die Krise verursacht? Die Menschen, die derzeit sehr große und berechtigte Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren aufgrund der Krise, beleidigen Sie mit Ihren unsensiblen und unstaatsmännischen Sprüchen. Die meisten der Menschen, die unverdient arbeitslos geworden sind, wollen arbeiten und wollen Anteil haben am gesamten Gemeinschaftsleben. Sie möchten auch ihre Steuern zahlen, weil sie wissen, dass ohne diese eine demokratische, gerechte und solidarische Gemeinschaft nicht möglich ist.
Sozialschmarotzer gibt es nicht nur unter Hartz-IV-Empfängern. Diese gibt es auch in großer Zahl unter Ihren „Leistungsträgen“. Dort wird zwar alles in Anspruch genommen, was die Steuerzahler finanzieren wie Theater, Oper, Schulen, Universitäten, jedoch wird – wie ja jetzt wieder verstärkt zu hören ist - Geld an der Steuer vorbei auf diverse Konten im Ausland geschleust. Das sind für uns keine „Leistungsträger“.
Sie beleidigen auch uns Seniorinnen und Senioren, die wir unser Leben lang gearbeitet, die Steuern und Abgaben immer korrekt abgeführt, uns in der Gemeinschaft in vielfältiger Weise engagiert haben, weil wir wussten, dass Solidarität und Vorsorge nötig sind, damit die Demokratie aufrecht erhalten werden kann.
Sehr geehrter Herr Vizekanzler, Sie sind jetzt Regierung, sorgen Sie mit Ihren Kontakten zur Wirtschaft für Arbeitsplätze, dafür wäre Ihre Energie besser eingesetzt als in einem Vorwahlkampf die Bevölkerung zu spalten und Leute aufzubringen.
Es bleibt Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen auch unbenommen, unseren Sozialstaat mit fachlicher Kompetenz kritisch zu durchleuchten, den Diskurs zu suchen und die Menschen von Ihren Entschlüssen zu überzeugen. Und nicht einfach ganze Bevölkerungsgruppen zu diffamieren.
Da Sie offensichtlich nicht abrücken wollen von Ihren Pauschalverurteilungen und den ungerechten Äußerungen, hoffen wir, dass die Wähler in Nordrhein-Westfalen Ihnen die Quittung erteilen werden. Das wird Sie dann hoffentlich in Ihrem unheilvollen Schwung bremsen und die gesamte Regierung veranlassen, in vernünftiger Weise sich der Probleme anzunehmen und eine offene, jedoch unpolemische Debatte zu führen.
Und das, sehr geehrter Herr Vizekanzler und Bundesaußenminister, wird man in diesem Land ja wohl noch sagen dürfen!
Der Kreisvorstand der AG SPD 60plus Breisgau-Hochschwarzwald